Frank Schlegel
Befremdung

»Erblickbare Einschlüsse des Fremden in den Anblick des Vertrauten«. Dieses Wort Martin Heideggers (Vorträge und Aufsätze, S. 195) findet sein Echo bei Roland Barthes (Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie), der solche befremdlichen Einschlüsse im Foto das »punctum« nennt. Gemeint ist ein zunächst unauffälliges marginales Detail, das plötzlich als »Stich« (S. 36) unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, indem es uns »mitten aus der Seite ins Auge springt.« (S. 52) Das punctum ist das vom Fotografen nicht geplante »Zufällige« im Foto, »das mich besticht« (S. 36), d.h. mich unerwartet trifft und in den Bann zieht.

Mir selbst schwebt eine Fotografie vor, in der das Unauffällige gar nicht real im Foto vorhanden ist, sondern sich erst aus dem situativen Zusammenspiel der einzelnen Elemente des Ganzen ergibt. Das Fremde und Befremdliche wäre hier kein seiendes Etwas, sondern das in Bezügen stattfindende unscheinbare Ereignis der Sichtbarkeit selbst: das Zwischen, dem eine »Phänomenologie des Zwischen« auf der Spur ist.

5  zurück